Streiten gehört zum Alltag, sowohl in Schulen als auch in Freundschaften, Partnerschaften, Beziehungen, Familien … in allen sozialen Systemen! Und dieses Streiten will — und soll — gelernt sein! Auch dafür fühlen wir uns verantwortlich!
Die Abgrenzung von gesundem — also konstruktivem — Streit zu aggressivem Konflikt oder sogar körperlicher Gewalt sind bisweilen fließend. Bisweilen erleben wir leider, dass Kinder bis zum Übergang in die weiterführende Schule noch nicht gelernt haben, Konflikte gewaltfrei lösen. Hier geben unsere “Hausordnung und Regeln” Orientierung. Besonders wichtig ist und dabei, dass “wir alles in unserer großen Schule ohne Hauen, Treten, Boxen, Beleidigen, Beschimpfen, Mobben, … miteinander regeln und Kompromisse finden können”.
Um diesen Schritt zu schaffen, braucht man auch mal die Hilfe anderer! Manchmal die Hilfe der Lehrerinnen und Lehrer und manchmal besser die Hilfe von anderen Schülerinennen und Schülern.
Hier setzt unser Schüler-Streitschlichter-Programm an! Es verfolgt die Strategie, Konflikte durch die Mediation der Peergroup (Gleichaltrige) zu lösen. Untersuchungen zeigen, dass viele Kinder sich eher etwas von ungefähr Gelichalterigen, als von Erwachsenen sagen lassen. Dadurch erzielen Vermittlungsversuche der Schülerinnen und Schüler zwischen ihren Schulkameraden oft eine bessere Wirkung. Die Streischlichtung an Schulen hat das Ziel, Konflikte langfristig anhaltend und zur Zufriedenheit aller Beteiligten zu lösen.
Wenn Konflikt eilig gelöst werden, kommt es oft vor, dass nicht alle zufrieden gestellt werden können und dass sich eine/r der Beteiligten als Verlierer fühlt. Oft ist das der Anfang weiterer Schwierigkeiten, wenn Verlierer Rache wollen. Ein weiteres Problem ist der Sieg. Menschen, die auf der Siegerseite stehen, werden manchmal siegessüchtig, denn Sieg “schmeckt wunderbar” und dieses Gefühl möchte man häufiger genießen. Schließlich geht es auch um Schuld. Der gesunde Mensch spürt, dass er etwas falsch gemacht hat. Es kann zu Gewissensbissen und in schwierigen Fällen zu einem Trauma kommen. Dies wird durch Schuldzuweisungen verstärkt. Die Konfliktparteien kommen um die Frage, wie sie mit Schuld umgehen, nicht herum. In der Fachliteratur werden besonders drei Methoden hervorgehoben, wie damit umgegangen wird:
1) Ausgleichsmethode (Rache):
“Du hast mir etwas angetan, jetzt tue ich dir etwas an!” Oft auch: “Ich habe dir etwas getan, jetzt darfst du etwas gegen mich unternehemen.” Dieser Weg führt immer weiter in eine Gewaltspirale.
2) Verzeihung:
Dadurch entsteht fast immer Versöhnung. Das “Opfer” ist großzügig, verzeiht und gibt die Möglichkeit eines Neubeginns. Doch auch bei dieser Methode fehlt etwas, was in der dritten Methode praktiziert wird.
3) Kausalitätssprache statt Schuldsprache:
Verzicht auf Schuldzuweisung, sondern die Suche nach den Gründen eines Konflikts. In der Streitschlichtung suchen alle Beteiligten jeweils die eigenen Schuldanteile bei der Entstehung des Konfliktes und überprüfen die Ursache. Wenn Menschen einen Konflikt regeln wollen, ist es wie mit Menschen in einem löcherigen Boot. Wenn sie erst lange darüber diskutieren, wer daran Schuld ist, statt gemeinsam Löcher zu stopfen, werden sie nicht lange über Wasser bleiben. Das Problem bekämpfen, nicht die Person!
Diser letztgenannte Weg bestimmt ein Konfliktgespräch als Dialog:
- sich selbst in Frage stellen können;
- Abschied nehmen von eingefahrenen Wegen und gewohnten Sichtweisen;
- offen sein für andere und anderes;
- Zuhören und etwas annehmen können.
Dialog hat das Ziel:
- alle Beteiligten haben einen Gewinn
- es gibt keinen Sieger und keinen Verlierer.
Diesen Weg zu gehen hat sich die Werner-von-Siemens-Gesamtschule Königsborn zum Ziel gemacht mit der Einrichtung des Schüler-Streitschlichter-Programms. Die Schlichtung durch Schülerinnen und Schüler bringt für alle einen Gewinn:
Gewinn für Schülerinnen und Schüler:
Speziell für diejenigen, welche einen Konflikt untereinander gelöst haben, gilt:
- wenn sie sich wieder begegen, brauchen sie keine Angst mehr voreinander zu haben;
- Keiner hat verloren. Sie müssen keine Gelegenheit suchen, Rache zu nehmen. Ihre Beziehung ist ausgewogen;
- beide haben erlebt, dass ein Konflikt gewaltfrei aus dem Weg geschafft werden kann;
- sie erfahren die Verbindlichkeit von getroffenen Vereinbarungen.
Speziell für Schüler und Schülerinnen, die zu Streitschlichter ausgebildet wurden, gilt:
- die vorhandenen sozialen Kompetenzen werden aufgegriffen, ausgebaut, gefestigt und professionalisiert;
- sie tun etwas für die Allgemeinheit, indem sie aktiv dabei helfen, die Schulatmosphäre zu vergessen;
- sie bekommen Anerkennung durch ihr Tun (von Lehererinnen und Lehrern, Schülerinnen und Schülern, Eltern etc. auch in Form eines Schulzertifikates);
- sie werden mit Fähigkeiten ausgerüstet, um mit Konfliken außerhalb der Schule und im späteren Leben umzugehen.
Gewinn für die Schule:
- Streitende lernen, ihre eigenen Probleme zu lösen. Sie werden sich eher an Vereinabrungen halten, weil sie auf ihren eigenen Ideen beruhen;
- Schülerinnen und Schüler müssen nicht zu einer Lehrkraft laufen, wenn ein Konflikt sie bedrückt;
- Jüngere erhalten ein hohes Maß an Sicherheit, weil sie durch Schlichterinnen und Schlichter Hilfe erfahren;
- Schülerinnen und Schüler lernen Konflikte durch Gespräche und nicht durch Schläge zu lösen. Sie erfahren dass beide Seiten durch Gespräche etwas gewinnen können;
- sie erfahren, dass ein Konflikt auch Ausgangspunkt für neue, positive, gemeinsame Erfahrungen mit dem Kontrahenden sein kann.
Gewinn für Lehrinnen und Lehrer:
- die Gewinne, welche die Schülerinnen und Schüler haben, decken sich mit den Intentionen zur Werterziehung, vor allem der erziehung zur Selbstständigkeit.
- Lehrkräfte kommen dem Ziel zu lehren, wie Konflikte gewaltfrei gelöst werden können, näher;
- sie werden bei leichten und mittelschweren Konflikten zwischen Schülerinnen und Schülern entlastet.
Gewinn für die Eltern:
- Eltern sind froh, dass ihr Kind in der Schule neben dem Sachwissen auch ein Instrument kennen lernt, durch das ein besseres Zusammenleben möglich wird.
- Eltern wissen, dass ihr Kind in der Schule bei Konflikten mehrere Ansprechpartner hat und nicht allein gelassen wird.